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REZENSIONEN




NEUE   BEITRÄGE

"Yellowface" von Rebecca F. Kuang


(Original: "Yellowface"/ 2023), Übersetzer*in: - , , ★★★ 4 Sterne

Die deutsche Übersetzung ist unter dem Titel "Yellowface" beim eichborn Verlag erschienen. 

Eine Notlüge. Dunkler Humor. Tödliche Konsequenzen...
Die Bestsellerautorin Juniper Song ist nicht, wer sie vorgibt zu sein. Sie hat das Buch nicht geschrieben, das sie behauptet eigenständig verfasst zu haben und sie ist ganz sicher nicht "Asian American".
Doch wie soll sie das richtigstellen? Soll sie das überhaupt? Und was werden die Leute sagen, falls die Wahrheit ans Licht kommt?


Meine Kurzrezension zu "Yellowface" auf Bookstagram

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Every author hates their imprint. There are no Cinderella stories - just hard work, tenacity, and repeat attempts at the golden ticket.“ 
- S.4

 

"Yellowface" ist ein Roman, der für mich erst nach und nach seine ganze Wirkung entfaltet. Die Einflüsse des "Krimis" scheinen für das Interesse am Weiterlesen im Vordergrund zu stehen, doch ehrlich gesagt besteht die Geschichte aus so viel mehr.

Der Roman kritisiert gekonnt die Buchszene (online, wie zum Beispiel auf Social Media), die Buchbranche sowie Verlagsarbeit generell. Natürlich vorrangig in Hinblick auf das gestohlene Manuskript und wie ein „Skandal“ für den Erfolg beiseitegeschafft und klein gehalten werden soll.
Obwohl ich verstehe, dass viele mit der Erzählerin nicht zurechtkommen, ist gerade ihre Art das Clevere an der Umsetzung. Sie rechtfertigt sich ständig, um ihr Gewissen zu erleichtern und man ertappt sich dabei, wie ab und zu Verständnis aufkommt. Natürlich bei dem eingewobenen persönlichen und doch traumatisierten Schicksal, aber eben nicht der bei dem üblen Angriff auf Minderheiten und rassistischen Ansichten. Gerade hier wird der Grat zwischen Verständnis und absoluter Abneigung für die Protagonistin sehr schmal.
Gleichzeitig macht sie einen so wütend, weil sie gewisse Dinge nicht versteht beziehungsweise nicht nachempfinden kann und will. Es entsteht ein Strudel von: Wer ist am übelsten dran und verdient den Erfolg nun wirklich?
Durch die Erzählweise müssen Leser*innen oft selbst abschätzen was ihnen negativ am Verhalten der Protagonistin auffällt, was ich ziemlich gut fand. Es verlangt uns also einiges an Selbstreflexion ab.
 
 
 

 

I know what you´re thinking. Thief. Plagiarizer. And perhaps, because all bad things must beracially motivated, Racist.
Hear me out.
It´s not so awful as it sounds.
 
- S.36

 

Das Thema der Aneignung spielt natürlich eine sehr große Rolle, wenn nicht eben die Rolle. Ich mochte, dass viele Aspekte aus mehreren Blickwinkeln betrachtet werden, dabei aber stets eine deutliche Botschaft vermittelt wird.
Die ständige Frage danach, ob der Diebstahl des Manuskripts nur auf einer moralischen Ebene hinsichtlich der Autorschaft untersucht werden sollte oder eben doch tiefgehender ist, führt erneut dazu, dass man sich als Leser*in in einer Schleife der Reflexion wiederfindet.

Einen besonderen Stellenwert hat weiterführend ebenfalls die im Buch auftauchende Kritik daran, dass man für Marketingzwecke eine Identität annimmt, die einem aller Deutlichkeit nach nicht gehört. Und das nicht nur in Hinblick auf das Buch selbst, sondern eben auch die Herkunft und die Kultur.
Wenn Buchbranche, also hier der Verlag, und Autorin Hand in Hand entscheiden, den Namen so für die Werbung des Buchs anzupassen, dass es "echter" oder "besser" wirkt, was sagt das über unsere Gesellschaft und den reinen Gedanken an "Profit und Erfolg geht über alles" aus?
Wichtige Fragen, deren Antworten man wie gesagt unbedingt auch für sich selbst beantworten muss. Das Buch versucht in beide Richtungen auszuschwenken, offenbart den Kern der eigentlichen Aussage aber durchaus.
 
 
Was zunächst als makabre Situation startet, entfaltet sich zu einer Geschichte, die nicht mit Kritik an der Gesellschaft und Buchszene geizt. Die Spannung und das Tempo werden definitiv zugunsten des Leseinteresses aufrechterhalten, die leisen Zwischentöne und doch auch nachdenklichen Szenen bieten aber genug Raum für Reflexionen.
Insgesamt ist "Yellowface" ein wichtiges Buch, das durchaus unterhält, die wichtigsten Dinge und Aussagen aber zwischen den Zeilen versteckt hat
. Man sollte sich die Zeit nehmen, diese zu ergründen, denn der Buchmarkt steht hier zwar natürlich in der Schusslinie, es geht aber um deutlich wichtigere Themen.

  

 

 

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Zehn Jahre Bloggen: Lesegewohnheiten, die sich geändert haben

März 24, 2024

 

Zehn Jahre "little words"

Unfassbar, aber diesen Oktober wird mein Buchblog und gleichzeitig mein Lieblingsprojekt "little words" schon zehn Jahre alt. In all den Jahren durfte ich viel erleben, mich über viele Dinge freuen, an vielen schönen Events teilnehmen und wirklich fabelhafte (Buch-)Menschen kennenlernen. Es war und ist natürlich weiterhin ein Teil meines Lebens, welches ich keineswegs missen möchte. 

Als ich dann über die Anfänge und mein eigenes Leseverhalten zu Beginn meiner Bloggerzeit nachgedacht habe, ist mir aufgefallen, dass sich doch so einiges verändert hat. Natürlich in Hinblick auf die fehlende Zeit, wenn es um die Regelmäßigkeit des Bloggens geht, aber eben auch in Hinblick auf Lesegewohnheiten und Vorlieben.

Let´s have a look. 


Was hat sich nach 10 Jahren Bloggen im Leseverhalten geändert?

1. Hardcover-Liebling vs paperback

Für mich waren Hardcover-Ausgaben das Ding. Sie waren irgendwie schöner und haben im Bücherregal immer was hergemacht.
Mittlerweile hat sich das bei mir sehr geändert. Es gib Ausgaben, da warte ich eher auf das Taschenbuch, weil ich weiß, dass es platzsparender ist oder ich es eher in der Bahn/ unterwegs lesen will und es praktischer ist. Hardcoverausgaben sind für mich natürlich durchaus immer noch interessant und oftmals greife ich gerne zu ihnen, wenn ein Lieblingsbuch als Schmuckausgabe erscheint, aber ich habe mein Herz auch für Taschenbücher (besonders floppy paperbacks) geöffnet. 


2. Englische Bücher, E-Books & Hörbücher

Stichwort "floppy paperbacks", die es ja eher in englischsprachigen Verlagen gibt: Während und aufgrund meines Studiums bin ich stark auf englischsprachige Literatur umgestiegen. Obwohl ich Dank meiner Schwester immer Interesse an der Sprache hatte und auch in der Schule bilingual unterrichtet wurde, habe ich es immer vor mir hergeschoben regelmäßig englische Bücher zu lesen. Seit einigen Jahren jedoch lese ich beinahe ausschließlich auf Englisch, weil ich mich in dem Bereich deutlich sicherer fühle und mich viele deutsche Übersetzungen in den letzten Jahren leider enttäuscht haben.
Und auch hier muss ich gestehen, dass ich viele Cover einfach weiterhin viel schöner und ästhetisch ansprechender finde. Das hat sich nach all den Jahren leider nicht geändert, dass ich stark von Covern beeinflusst werde. 

Ebenso hat sich mein Leseverhalten hinsichtlich der Medien geändert. Durch meinen Beruf bei Legimi bin ich im ständigen Kontakt mit digitaler Literatur und ich muss wirklich sagen, dass ich sie nun mehr als schätze.
Damals war ich eher Team "nur gedruckte Bücher sind Bücher", worüber ich mittlerweile selbst nur müde lächeln und den Kopf schütteln kann. Natürlich sind E-Books und Hörbücher auch Bücher. Sie bieten viele Vorteile (vor allem unterwegs) und helfen vielen Menschen Zugang zur Literatur zu erhalten, die sie sonst nicht hätten.
Ich bin sehr froh, dass sich diese Sichtweise bei mir mit den Jahren geändert hat.


3. Vorsichtiges Lesen

Wer viel auf BookTok unterwegs ist, wird sicherlich schon das ein oder andere humorvolle Video dazu gesehen haben. Leser*innen sind entweder sehr vorsichtig, wenn sie lesen oder brechen dem Buch gleich drei Mal den Buchrücken, hinterlassen Eselsohren oder markieren und annotieren das Buch in jeder möglichen Farbe.
Ich für meinen Teil habe mit der Zeit gelernt, Bücher weiterhin gut zu behandeln zum Beispiel für den Fall, dass sie mir nicht gefallen und ich sie gerne weiterverschenken/ verkaufen möchte und mich dennoch nicht beim Lesen einzuschränken. Nichts ist schlimmer als sich ungemütlich für mehrere Stunden hinzusetzen, damit das Buch wie gerade neugekauft wirkt.  



4. Bücher (nicht) aussortieren

Nach zehn Jahren wüsste ich gar nicht wie das platztechnisch funktionieren sollte, wenn ich es nicht endlich geschafft hätte, Bücher regelmäßig auszusortieren. Ob Rezensionsexemplare, Buchgeschenke oder selbst gekauft, irgendwann sind die Regale einfach voll. Mich hat es zudem unzufrieden zurückgelassen, wenn ich in die Regale geschaut und gemerkt habe, dass mir viele Bücher davon nicht einmal gefallen haben. 

Daher plane ich mir nun immer wieder Tage ein, an denen ich meine Regale von nicht geliebten Büchern oder denen, die mir emotional gesehen nichts bedeuten, befreie. 

 

5. Lesetempo und Lesestatistik

Ich glaube, Leseflauten sind schon für viele ein Stressfaktor. Zu meinem Erstaunen muss ich allerdings sagen, dass ich davon in all den Jahren nie wirklich betroffen war, da ich mir einfach immer zwischendurch Phasen erlaube, an denen ich ein bis zwei Tage nicht lese und mich eher auf Musik oder anderes konzentriere. Danach kann ich es immer kaum erwarten wieder zu einem Buch zu greifen.

Dennoch sind mein Lesetempo und die Anzahl der im Monat gelesenen Bücher durchaus gesunken. Mit der Zeit überwiegen die beruflichen Aufgaben und die Kraft nach der Arbeit, Hausarbeit und anderen Verpflichtungen sinkt im Allgemeinen. Als ich mit dem Bloggen angefangen habe, befand ich mich gerade mitten im Studium und hatte einfach deutlich mehr Zeit zum Lesen, da ich unter anderem die Bahnfahrten immer vollends ausgenutzt habe. 

Ich bin also durchaus froh, wenn ich nun im Monat bis zu fünf Bücher schaffe. Aber das ist okay. Natürlich wartet mein tbr-Stapel sehnlichst auf mich, aber es ist absolut in Ordnung, wenn man das Tempo und die Anzahl von über zehn Büchern pro Monat irgendwann einfach nicht mehr halten kann.
Lesen sollte keine zusätzliche Aufgabe sein, die man versucht abzuhaken, sondern etwas. das einen gerade davon ablenkt.



Mehr Einblicke & Lesegewohnheiten auf Booktok // @karinlipski

Noch mehr kurze Einblicke in neue/ alte Gewohnheiten gibt es auf TikTok zu entdecken. Schaut gerne vorbei. Zum Beispiel bei "Meet the Booktoker": @karinlipski

 

 



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"The Book That Wouldn´t Burn" (The Library Trilogy #1) von Mark Lawrence

Januar 25, 2024


(Original: "The Book That Wouldn´t Burn"/ 2023), Übersetzer*in: - , , ★★★ 4 Sterne

Eine deutsche Übersetzung ist bisher nicht angekündigt. 

Evar hat sein ganzes Leben gefangen in einer riesigen Bibliothek verbracht. Einer Bibliothek älter als viele Imperien und größer als viele Städte.

Livira hat ihres in einer winzigen Siedlung, draußen im Staub, verbracht. Dort, wo sich niemand hinauswagt und Albträume ihre Unwesen treiben.

Die Welt hat sie beide bisher nicht beachtet. Doch das wird sich ändern...

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There are moments in life when you know with a great and unshakeable certainty that everything will change.“ 
- S.47

 
Fantasy-Trilogien oder ganze Reihen sind manchmal eine schwierige Angelegenheit. Auf der einen Seite liebe ich es, wenn ich eine Geschichte mag und länger darin verweilen kann. Auf der anderen Seite jedoch ist das Risiko da, dass man nicht ganz warm wird, weil vieles erst in den nächsten Büchern aufgebaut wird.
Mit "The Book That Wouldn´t Burn" sind beide Sachen eingetreten. 
 
Die Welt war für mich zunächst eine Mischung aus "Dune" und "Piranesi", was eigentlich sehr für das Buch spricht. Ich mochte die Atmosphäre, das Rätselhafte und den Wechsel zwischen Liviras und Evars Perspektive. Dadurch wissen und kennen wir nicht alles, können aber in beide Welten eintauchen - die Wüstenstadt und die Bibliothek. Nach und nach wird die Verbindung zwischen beiden Figuren erkenntlich gemacht und auch aufgebaut.
Rückblickend war das Tempo in Ordnung. Die Welt ist etwas komplexer, bedarf also hier und da mehr Informationen. Andererseits jedoch hatte ich an einigen Stellen beim Lesen das Gefühl, dass die Geschichte hätte kompakter sein können. Vielleicht nicht in Bezug auf den Informationsfluss, aber eben auf das Gefühl, dass sich manches zieht.



'Nostalgia is a drug, a knife. Against young skin it carries a dull edge, but time will teach you that nostalgia cuts - and that it´s a blade we cannot keep from applying to our own flesh.'“ 
- S.322
 
 
Was wir im ersten Buch erfahren ist geprägt vom System, das in der dortigen Welt herrscht. Wie funktioniert die Gesellschaft, was für Werte sind wichtig und vor allem: Welche Gefahren begleiten die Personen dort tagtäglich?
Obwohl ich den Cliffhanger zum Schluss mochte, muss ich zugeben, dass ich mir bereits beim ersten Teil ein wenig mehr Offenbarungen gewünscht hätte. Es gibt hier und da überraschende Wendungen, aber gewisse Dinge versteht man weiterhin nicht genau. Das ist natürlich den Erfahrungen und (fehlenden) Erinnerungen der Erzählerstimmen geschuldet, jedoch sorgte das bei mir manchmal für ein unbefriedigendes Gefühl. Zumal vieles am Ende sehr chaotisch erzählt wird und einige Bezüge zu Figuren bruchstückhaft scheinen.
 
Die Thematik im Buch wird natürlich durch das Fantasy Genre gestützt, bezieht sich aber auch sehr stark auf unsere Gesellschaft und wie wir miteinander umgehen. Das ist ein Punkt, den ich am Buch durchaus mochte. Neben allen Aspekten, die auf Dinge abzielen, die in unserer Welt nicht möglich sind, findet man in der Geschichte viele wichtige Ansätze, die aufzeigen, wie sich Menschen wahrnehmen ohne sich wirklich zu kennen und wie sich der Blick verändern kann, wenn man sich eben die Möglichkeit gibt einander kennenzulernen - und zwar ohne Vorurteile. 
 
Auch wenn die negative Kritik hier stärker durchscheinen mag, muss ich noch einmal betonen, dass ich mich dennoch auf den zweiten Teil freue und natürlich unbedingt herausfinden möchte, wie es weitergeht. Die Figuren selbst fand ich nämlich durchaus interessant und ich bin auch beiden gerne auf ihrer Reise gefolgt. Beide sind eher ruhiger, wenig dramatisch und lassen die Leser*innen mit genau der richtigen Portion Kühnheit in das Abenteuer reingehen.



Der erste Band der Reihe ist eine etwas komplexere Einführung in die Welt, da uns viele Informationen noch vorenthalten werden und wir den Protagonist*innen teilweise mit Erinnerungslücken folgen.
Es gab Stellen, die hätte ich mir gerne packender und kompakter gewünscht, letztlich jedoch konnte mich der Roman immer wieder soweit zurückholen, dass ich zumindest den zweiten Teil noch unbedingt lesen möchte.

 

 
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"Honigkuchen" von Haruki Murakami

Dezember 09, 2023


Werbung ~ Rezensionsexemplar (Original: "Hachimitsu Pai"/ 2000), dt. Übersetzung: DuMont Verlag 2023, mit Illustrationen von Kat Menschik, Übersetzer*in: Urusula Gräfe (aus dem Japanischen), ★★★(☆) 4,5 Sterne
Junpei ist Schriftsteller, seine Spezialität: Kurzgeschichten über unerwiderte Liebe. Das Thema seines Lebens. Seit der Uni ist er in Sayoko verliebt, die seinen besten Freund geheiratet hat. Trotz allem hat die Freundschaft zwischen den dreien Bestand, anders als die Liebe von Sayoko und Junpeis bestem Freund: Sie bekommen eine Tochter namens Sara, trennen sich aber kurz darauf. Mit den Jahren wird Junpei zu einer Art Ersatzvater für Sara. Nach einem schrecklichen Erdbeben leidet sie unter Albträumen. Nur Junpei kann sie beruhigen – mit seinen Geschichten über einen Bären und seinen besten Freund. Und er ist fest entschlossen, für immer über Sayokos und Saras Schlaf zu wachen …
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„'Schreibst du an einer Geschichte'?
Jun nickte.
'Läuft es gut?'
'Wie immer. Ich schreibe eine Geschichte, sie wird in einer Literaturzeitschrift gedruckt, und niemand liest sie.
 
- S.12f.


Meine literarische Reise mit Murakami war bisher eher kurz, da ich keinen seiner großen Romane, sondern nur eine Kurzgeschichtensammlung ("Men Without Women") gelesen habe. Dennoch habe ich immer mal wieder ein Auge auf seine Bücher geworfen und hatte vor, mich an eine andere Geschichte zu wagen.
Und dann kam dieses Jahr diese wunderschöne, illustrierte Ausgabe seiner Kurzerzählung "Honigkuchen" heraus. Die Geschichte wird durch zahlreiche ganzseitige Illustrationen der Künstlerin Kat Menschik ergänzt und ist ein wirkliches Schmuckstück (perfekt als Geschenk!). 
 
Doch auch der restliche Inhalt überzeugt. Murakamis Erzählung ist sanft und ehrlich. Für mich spiegelt die Geschichte das wirkliche Leben wider. Keine Bilderbuch-Beziehung, die von Anfang an besteht und funktioniert, sondern eine, die erst durch andere Erfahrungen und Erkenntnisse entsteht. 
Die Figuren werden nicht beschönigt, werden aber auch nicht durch eine unsympathische Dynamik gestärkt. Das bedeutet, dass sie sich auf relativ neutraler Basis begegnen und die veränderten Lebenssituationen nicht mit einem großen Drama befeuern. Ich mochte daher den ruhigen Erzählton. 
 
Die Referenz zu dem Bären oder besser gesagt der Bärengeschichte, die auch das Cover prägt, war für mich schön eingebunden. Zwar ist sie im mittleren Teil gar nicht so präsent, aber sie bildet einen schönen Rahmen, um die Situation der Figuren zu beschreiben. 
Natürlich haben beide Geschichten eine Ähnlichkeit und neben Bezug zueinander, sodass zwei Erzählungen ineinander verlaufen.
Schön war, dass der Protagonist zusätzlich die Verbindung zur Literatur und zum Geschichtenerzählen einbaut.
Obwohl primär die Liebesbeziehung thematisiert wird, geht es auch um Geborgenheit, Liebe und das Gefühl, für jemanden Sorgen zu wollen, der einem viel bedeutet und für ihn da zu sein - unabhängig vom Verwandtschaftsgrad. Ängste, Traumata und eben die Bewältigung derer wird ebenfalls aufgegriffen. Dadurch erzählt diese wirklich kurze Erzählung so viele Ebenen, dass sie mir als Leserin viel mehr gegeben hat, als zunächst gedacht.



„'[...] Und weil Masakichi natürlich wie ein Bär aussieht, dachten die Menschen': Hm, er kann zwar rechnen und unsere Sprache sprechen, aber letzten Endes ist er doch nur ein Bär. 'Keiner wollte ihn richtig bei sich haben.' 
- S.6


Fazit

Eine schöne und gelungene Gesamtumsetzung. Die Erzählung war zwar kurz, aber sie trägt dennoch viel Inhalt in sich. Die wunderschönen Illustrationen von Kat Menschik sind dazu noch eine wirklich zauberhafte Ergänzung.




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"Cleopatra und Frankenstein" von Coco Mellors

November 07, 2023

Werbung ~ Rezensionsexemplar (Original: "Cleopatra and Frankenstein"/ 2022), dt. Übersetzung: Eichborn Verlag 2023, Übersetzer*in: Lisa Kögeböhn (aus dem Englischen), ★★★ 4 Sterne
Ein Silvesterabend in New York: Cleo, Mitte zwanzig, britische Kunststudentin, Bohémienne a.k.a. ewig pleite, trifft Frank, Mitte vierzig, Amerikaner, Inhaber einer Werbeagentur und ungleich gesettleter, im Aufzug einer Partylocation. Es ist die vielbeschworene Liebe auf den ersten Blick. Hals über Kopf stürzen Cleo und Frank sich in eine amour fou, mit der sie selbst kaum Schritt halten können – geschweige denn die, die ihnen nahestehen.
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Er war merklich nervös, seine übliche Souveränität wie weggeblasen. Als er endlich etwas sagte, war es ein einzelner Satz. Wenn deine dunkelste Seite auf meine dunkelste Seite trifft, entsteht Licht. 
- S.57


Besser als Sally Rooney!? Zumindest wird "Cleopatra und Frankenstein" mit den Romanen der beliebten Autorin verglichen. Zwar gibt es durchaus Schnittstellen - Beziehungen, junge Menschen, die ihren Platz in der Welt suchen, "coole" Cliquen - aber allein durch ihre eher knappen Romane, hat Rooney vielleicht etwas die Nase vorne. Denn was mir persönlich bei Mellors nicht so gut gefallen hat, waren die meiner Meinung nach unnötig auserzählten Nebenplots.
Warum mich der Roman zum Schluss dennoch überzeugt hat? Here we go...

Das erste Kapitel habe ich sofort geliebt. Die Stimmung, das Anfangsgespräch zwischen den Protagonist*innen Cleo und Frank, die charmante Auflösung des Buchtitels direkt zu Beginn. Alles hat gepasst.
Doch dann wurde es mit den nächsten paar Kapiteln plötzlich nicht mehr so schön. Wie bereits erwähnt, haben mich die Nebenplots, bis auf Eleanor, wohl am meisten gestört. Für mich waren sie eher unnötige Lückenfüller, die den Freundeskreis einfach nur unheimlich unsympathisch haben wirken lassen. Mir persönlich hätten die Informationen auch in einigen Nebensätzen gereicht.
Zudem habe ich mich anfangs sehr an dem inflationären Konsum von Drogen und Alkohol gestört. Hier muss ich allerdings sagen, dass die Thematik zum Ende hin besser reflektiert und auch kritisiert wird. Ich möchte nicht zu viel vorwegnehmen, aber die Suchtproblematik wird durchaus behandelt, wenn auch noch in einem light-modus.

Ab der Mitte wird der Fokus dann wieder verstärkt auf Cleo und Frank gelegt. Zwar weiterhin aus unterschiedlichen Perspektiven und Blickwinkeln, aber wir bekommen eine Ahnung, wie die Beziehung verläuft. Es wird romantisch, tragisch, lustig, traurig und herzzerreißend
Dabei geht der Roman mit allen Aspekten zunächst eher sachlich um. Die Beschreibungen wirken nüchtern. Vielleicht auch, weil beide Figuren, die Entscheidung zusammenzukommen und auch zu bleiben, ebenfalls relativ nüchtern getroffen haben. Dennoch habe ich stets mit beiden mitgefiebert, habe gehofft, dass sie das Glück, das sie suchen, finden werden.



Cleo und Frank waren über den gesamten Roman hinweg für mich wie der Prozess beim Tauziehen. Mal fühlte ich mehr mit ihr, mal mit ihm. Ich war hinundhergerissen. Und das trotz seiner Eskapaden, seiner Probleme und seines (teilweise) unmöglichen Verhaltens. Doch auch Cleo wird zunehmend komplexer als Figur, trifft Entscheidungen, die man nicht wirklich versteht und handelt, als gäbe es für niemanden Konsequenzen. 
Das Magische an dem Roman ist dabei, dass er eben so sachlich und doch ergreifend ist. Zwischen den Zeilen offenbart sich nämlich ein Abgrund, der beide zu verschlingen droht. Und so ist "Cleopatra und Frankenstein" zwar natürlich eine Art Liebesroman, aber auch eine Geschichte über das, was man sich wünscht, aber nicht haben kann. Etwas, ein Glück, das für andere Personen vorgesehen ist. 

Es geht um Beziehungen, die sich heilen, aber ebenso auch schaden können. Es geht um die Hoffnung, etwas reparieren zu können, aber auch um die Akzeptanz, dass nicht immer alles wie im Bilderbuch endet. 
Mit diesem Gefühl und dem Wissen darüber habe ich das Buch geschlossen und danach wirklich einen Seufzer rausgelassen. Denn diese Suche nach Liebe, Geborgenheit und vor allem Familie ist eine stetige, für so viele Menschen auf der Welt. Und dieser Roman bringt dies letztendlich wirklich gut rüber.



Man konnte noch so talentiert, engagiert und beharrlich sein, man konnte noch so viel Glück haben und trotzdem keinen Erfolg oder, wenn doch, nicht dauerhaft. Wie furchtbar demotivierend es war, niemals etwas zu erreichen, was deinem Talent entsprach, niemals angemessen für deine Mühen bezahlt zu werden. 
- S.490


Fazit

Anfangs noch eher durch - für mich- unnötige Nebenplots gebremst, entpuppte sich der Roman für mich zum Ende hin zu einer wirklich gefühlvollen Geschichte, die viel bereithält. Zwar werden einige schwierige Inhalte eher schwächer kritisiert, aber sie sind ein wichtiger Teil der Reflektion und Aufarbeitung problematischen Verhaltens.
Insgesamt werde ich Cleo und Frank doch vermissen. Und auch beim Tippen der Rezension, merke ich, dass sie mich zum Schluss mehr berührt haben, als ich anfangs vermutet habe. Um zum Anfang zurückzukommen: Besser als Sally Rooney? Ich würde sagen, ähnlich, aber doch eigen. Eine Serienadaption, wie von "Normal People" könnte ich mir hier aber ebenfalls gut vorstellen.




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